Reisebericht World Angus Forum in Schottland
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 03. August 2017 10:38
- Geschrieben von Sabine Schmidt
Erstmalig seit 40 Jahren war Großbritannien als Mutterland der Anguszucht wieder Gastgeber des World Angus Forums. In einem fast dreiwöchigen Programm konnten rund um das Forum zahlreiche Anguszuchtbetriebe in England, Schottland und Irland besichtigt und mehrere Schauen besucht werden. Im Rahmen des Konferenzprogramms reisten die Geschäftsführerin und der 1. Vorsitzende des BDAH vom 22. bis 27. Juni nach Edinburgh, um die deutschen Anguszüchter bei dieser wichtigen Veranstaltung zu vertreten und die Kontakte mit der internationalen Anguszucht zu vertiefen.
An Anreisetag erreichten wir das Ausstellungsgelände der Royal Highland Show gerade noch rechtzeitig, um die Schau der Angusrinder mitzuerleben. Am Ring trafen wir sogleich mehrere Verbandsmitglieder des BDAH, die zum Teil an den ausgeschriebenen Besichtigungstouren teilnahmen. Die auf der Show vorgestellten Rinder waren überwiegend von enormer Größe, mit einer Kreuzbeinhöhe, hinter der man erwachsene Vorführer kaum noch sehen konnte. Ein 4-jähriger Bulle mit 1.700 kg Lebendgewicht war dabei sicher ein besonderes Extrem, im Wettbewerb aber immerhin Ib-platziert. Dieser erste Eindruck war irritierend, da solche großen und schweren Tiere in Deutschland eher Gefahr laufen, nach hinten gestellt zu werden, da hier eindeutig der Rassestandard nicht mehr eingehalten wird.
Ein ganz anderes Bild bot sich am Samstag beim Besuch der Mosshall Farm. Die erste Überraschung war der in Hochglanz gestaltete Herdenkatalog. Fast jedes der 65 vorgestellten Tiere war mit Bild und Abstammung aufgeführt. Nach einer herzlichen Begrüßung mit kurzer Betriebsvorstellung ging es mit Schlepper und Futterwagen auf die Weiden, wo wir die mit Katalognummern versehenen Rinder sofort erkennen und zuordnen konnten.
Seit 2011 wird hier von Georg und Nikki Taylor ganz bewusst entgegen der in Schottland traditionellen Farbrichtung Schwarz eine rote Anguszuchtherde aufgebaut. Daher mussten natürlich Rinder und Embryonen aus anderen Ländern wie Dänemark und Canada zugekauft werden. Inzwischen sind bereits viele Zuchttiere an Zucht- und Gebrauchsherden im Vereinigten Königreich und auch Zuchtbullen, wie Mosshall Red Pharao und weitere, an Besamungsorganisationen verkauft worden.
Die Rinder vermittelten neben sehr interessanten Abstammungen vom Charakter und vom Habitus her ein sehr positives Bild, das sich wohltuend von den auf der Schau gezeigten „Übergrößen“ abhob.
Ein weiteres Highlight an diesem Tag war die Besichtigung der landwirtschaftlichen Forschungsfarm SRUC Easter Howgate Farm. Hier wurde uns an mehreren Stationen Einblick in die aktuellen Forschungsvorhaben dieses Institutes vermittelt. Es ging um ausgesprochen praktische Dinge, mit denen jeder aktive Rinderzüchter immer wieder konfrontiert wird. Beispielsweise wurden Untersuchungen erläutert, die sich mit den Abhängigkeiten von Tiertemperament, Umgang und Behandlungsweisen und den daraus resultierenden Produktionsergebnissen auseinandersetzen.
Begeistert berichtete uns Rainer Roehe, Professor für Tiergenetik und Mikrobiome, früher Uni Kiel, über die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten an diesem Institut und erläuterte uns auszugsweise seine Erkenntnisse über die Verbesserung der Fleischqualitätsmerkmale bei Rindfleisch mit dem besonderen Interesse an der genetischen Verbesserung von Fettsäuren, wie Omega 3-Fettsäuren, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (gesundes Fleisch) zu reduzieren. Ein weiterer Ansatzpunkt der Forschung war die Minderung von Methanemissionen von Wiederkäuern.
Die Forschungsergebnisse werden zu praxistauglichen Empfehlungen für die Landwirtschaft entwickelt und stehen auch per Internet allgemein zur Verfügung.
Die nächsten Tage waren den Vorträgen der Konferenz vorbehalten. Wegen einer kurzfristigen Erkrankung des gebuchten Simultanübersetzers mussten wir uns den in Englisch gehaltenen Vorträgen im Originalton stellen, was streckenweise doch recht mühsam war und sicher auch zu gewissen Verlusten an Detailinformationen führte. Erfreulicherweise stehen die Vorträge jedoch inzwischen auf der Internetseite des World Angus Forum zum Download bereit: http://worldangusforum2017.com.
Es ging im Wesentlichen um die Optimierung der Zucht und der Produktion von Rindfleisch, um den Verbrauchern ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen und dabei einen maximalen wirtschaftlichen Erfolg zu erarbeiten. Es wurde durchaus selbstkritisch angemerkt, dass die Zuchtrichtung zu immer größeren Tieren nicht der Weg der Zukunft sein wird, sondern dass die erfolgreiche Produktion ausgerichtet werden sollte mit Blick auf den maximalen Nutzen für Züchter, Halter und Verbraucher. Eine Forderung, die übrigens auch William Mc Laren, Juniorchef der bekannten Netherton Farm bereits bei der Jubiläumsschau 2016 in Hessen seinen Richtentscheidungen zu Grunde gelegt hat, als er bei den Kühen mit Kalb die Kuh nach vorne stellte, die im Verhältnis zum eigenen Körper ein überproportional gut entwickeltes Kalb bei Fuß hatte. Mit dieser Entscheidung waren wir so konform, dass wir diese Kuh von Thomas Wicke dann auf der EuroTier ausgestellt haben.
Aufgrund der Übersetzungsprobleme haben wir uns entschieden, am Montag nicht die Vorträge zu verfolgen, sondern zwei weitere Herden zu besichtigen. Gemeinsam mit österreichischen, dänischen, kanadischen und amerikanischen Züchterkollegen ging es zunächst zur Moncur-Herde von Russell Taylor, den wir bereits bei seinem Besuch in Gundelfingen bei Bernhard Delle 2013 kennen gelernt hatten, als sieben Bullen aus seiner Zucht nach Deutschland verkauft wurden. Hier sahen wir eine rein schwarze Herde mit zum Teil sehr rahmigen Tieren, die aber durchaus noch unseren Vorstellungen entsprachen.
Weiter ging es zur „First International Sale of Dunlouise Native Aberdeen-Angus Cattle“. Geordie Soutar, der Eigentümer der Kingston Farm züchtet mit rein britischer Genetik und hat aus einer „handvoll“ noch vorhandener 100% original ursprünglicher Mutterkühe und Bullen, deren Genetik 50 Jahre zurückreicht, diese Nativ-Herde aufgebaut. Er gilt als der Bewahrer des alten ursprünglichen Aberdeen-Angus-Typs.
Was hier zur Versteigerung kam, hatte wenig gemeinsam mit den auf der Royal Highland Show gesehenen großrahmigen Ausstellungstieren. Hier wurden kleinrahmige, ausgesprochen typvolle, tiefe Rinder mit guter Länge, sehr guter Bemuskelung und feinen Fundamenten angeboten.
Diese Herde hatte bereits 2004 durch Ankäufe der Familie Junck und Einsatz des Bullen Excalibur Eingang in die deutsche Anguszucht gefunden.
Das Gala Dinner am Montagabend beendete unseren Schottlandbesuch. Trotz einiger organisatorischer Schwächen nahmen wir eine Reihe sehr interessanter, wenngleich auch sehr unterschiedlicher Eindrücke mit.
Leider kam es nicht zu der bereits in Portugal 2016 vereinbarten Gründung des „European Aberdeen-Angus Secretariat“. Wir hatten im Vorfeld entsprechende Beiträge des BDAH geliefert. Leider hatten wir auch wenig Gelegenheit, die zum Teil falschen Informationen zur deutschen Anguszucht, die in den Protokollen früherer Veranstaltungen zu lesen sind, zu korrigieren. Wir haben aber den Kontakt zu Paulo Costa, dem Sitzungsvorsitzenden des EAF 2016, und Jane Mättik aus Estland, die 2018 das Europäische Angus Forum ausrichten wird, genutzt und unsere Bereitschaft zur Mitarbeit auf europäischer Ebene zugesagt.
Text: Dietz Kagelmann